Wandbespannungen



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Originale Wandbespannung
vor der Restaurierung

Restaurierungsarbeiten einer Wandbespannung
in einem Treppenhaus eines repräsentativen Mietshauses in Berlin in der Zeit um 1911

Allgemeine Beschreibung des vorgefundenen Zustandes

Das Treppenhaus besteht aus einem aufwendige gearbeitetem Eingangsbereich, der zum einen un das eigentliche Treppenhaus übergeht und gleichzeitig die unterste Etage des historischen Fahrstuhls bildet und zum anderen aus bespannten Treppenläufern, den Wohnungs- sowie den Zwischenpodesten.

Die Wände im Eingangsbereich sind komplett mit einer gegliederten Wandvertäfelung ausgekleidet, in die auf der einen Seite ein angedeuteter Kamin mit darüberliegendem Spiegel und auf der einen Seite eine geschnitzte Holzbank eingelassen sind. IM oberen Bereich der Wandvertäfelung sind einzelne Felder mit Stoff bespannt, die durch Pilaster mit aufgestzten Kapitellen im ionischen Stil voneindander getrennt sind. Bei den Stoffe im Eingangsbereich handelt es sich um einen Brokatell in einem beige/goldenen Farbton

Bei der Wandbespannung auf den Treppenläufern und den Podesten ist der Stoff von der Treppenwange unten bis an die Decke umlaufend über alle fünf Etagen gespannt. Der Stoff hat die Farben hellbraun/dunkelbraun.

Das gesamte Treppenhaus befindet sich bis auf partielle Ausbesserungen an verschiedenen Stellen im Originalzustand.

Aufbau der vorgefundenen Bespannungen

Eingangsbereich
Auf einem 30×30 mm starken Leistenrahmen, der an der Wandvertäfelung befestigt ist, ist erst ein Molton und darauf der Stoff gespannt. Die Nagelung ist mit einer darauf geklebten Borte abgedeckt. Zwischen den Pilastern der Wandvertäfelung sind schmale Streifen mit Stoff bespannt. Der Stoff ist an dieser Stelle direkt auf die Holzvertäfelung geklebt und mit zusätzlichen Schnurstiften angenagelt. Es handelt sich hierbei um den Originalstoff.

Treppenläufe und Podeste
Auf dem verputzten Mauerwerk ist eine Makulatur-Tapete geklebt worden die jetzt lose hängt. Der Stoff ist aus einzelnen Bahnen rapportgerecht mit einer Maschienennaht zusammengenäht und direkt auf den Putz genagelt. Die Nagelung ist durch glatte Eichenleisten abgedeckt, die ebenfalls mit Stiften in den Putz genagelt wurden. Es handelt sich hier um den originalen Stoff.



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Zustand der vorgefundenen Stoffbespannung

Eingangsbereich
Der Zustand der einzelnen Felder ist sehr unterschiedlich. Während einige Felder noch relativ gut aussehen, zeigen sich andere in einem völlig verschmutzten Zustand, der die eigentliche Farbe des Stoffes nicht einmal mehr erahnen lässt.
Die Bespannung über der Tür des Fahrstuhls ist eingerissen. Die Ursache für die übermäßig starke Verschmutzung ist Zugluft hinter der Wandvertäfelung, also ein Kamineffekt. Da der Molton in sehr weiten Abständen angenagelt wurde, vollkommen mürbe und eingerissen ist, somit also keine geschlossene Einheit bildet, konnte der Schmutz auf den Stoff übertreten.

Treppenläufe und Podeste
Der Zustand der Stoffbespannung ist, wie im Eingangsbereich, ebenfalls recht unterschiedlich. Besonders verschmutzt sind die Teile unterhalb der Fensterbretter. Auch treten starke Verschmutzungen partiell in den unterschiedlichsten Teilen auf. Risse und Löcher sind zum Teil ausgebessert, unterklebt. Einige Teile sind nachträglich überspannt und von Hand mit einem verzogenen Strich angenäht. Es bestehen erhebliche Farbunterschiede in den einzelnen Wandabschnitten und Etagen. Der Putz ist im Bereich der Nagelung komplett perforiert und mürbe.

Restaurierungsvorschlag

Eingangsbereich
Die Bespannung muss komplett abgenommen und nach vorheriger Probe gereinigt werden. Die Gefahr des Einlaufens und des Ausfransens des Stoffes ist dabei nicht auszuschließen. Ebenso ist nicht sicher, dass die Reinigung der übermäßig stark verschmutzten Teile zu einem befriedigenden Ergebnis führt. Aus der vorgenannten Schilderung und der Tatsache, dass ein Stoff-Feld eingerissen ist, ist ersichtlich, dass der Eingangbereich des Treppenhauses nicht komplett mit dem originalen Stoff zu bespannen ist.

Deshalb schlagen wir vor:

den Übergangsbereich zwischen Treppe und Fahrstuhl mit den besten Stücken des gereinigten Original-Stoffes zu bespannen.
die Restfelder nach Abstimmung mit dem Landeskonservator und dem Bauherrn entweder mit einem uni-farbenen Stoff oder mit einer nachgewebten Kopie zu bespannen.

Vor einer erneuten Bespannung sollten die einzelnen Felder bauseits durch geeignete Mittel abgedichtet werden, um den Kamineffekt zu minimieren.

Als Unterverspannung sollte ein schwerer, dichter Molton eingesetzt werden. An die gereinigten Original-Stoff-Teile ist ringsherum ein Nesselstreifen, der als Zugstreifen dient, anzunähen. Dieser Streifen ist nach dem Spannen und Annageln wieder abzutrennen. Die Nagelung der Stoffverspannung sollte, wie im Original, mit einer gewebten Borte abgeklebt werden.

Treppenläufe und Podeste
Es sollte bauseits in den Bereichen der Nagelung eine Fuge in den Putz gefräst werden. In diese Fuge sollte eine Verleistung montiert werden. Fehlende Stellen im Putz sollten ausgebessert werden. Um ein Absanden des Putzes zu vermeiden, sollte eine Makulatur-Tapete geklebt werden. Auf die Verleistung sollte zur Vermeidung eines Kamineffektes und zum Schutz des Stoffes ein Molton gespannt werden.

Die Stoffverspannung sollte mit rostfreien Tackerklammern angeschossen werden. Die Nagelung sollte, soweit wie möglich, mit den originalen Eicheleisten abgedeckt werden. Fehlende Leisten müssten ersetzt werden.

Die noch verwendungsfähigen Teile des originalen Stoffes sollten gereinigt und bis zum 2. Wohnungspodest (also: Treppe ab Eingangsbereich 1. Wohnungspodest, Treppe ab dem 1. Wohnungspodest, 1. Zwischenpodest und Treppe ab dem 1. Zwischenpodest) wieder aufgebracht werden.

Da die Erhaltung der vollen Warenbreite zum großen Teil nicht zu gewährleisten ist, sind zusätzliche senkrechte Nähte und Kopfnähte, die musterpassend ausgeführt werden müssen, notwendig. Die Stoffteile sind vor dem Zusammennähen zu ketteln.
Für den Rest der Treppenhäuser sollte ein dem Original entsprechender Stoff nachgewebt und verarbeitet werden. Reserve-Teile des originalen Stoffes sowie der Kopie sollten eingelagert werden, um Material für eventuell anfallende Reparaturen vorrätig zu haben.

Entscheidungsfindung
Um dem ursprünglichen Raumempfinden des Eingangsbereiches und der Treppenläufe und Podeste so nahe wie möglich zu kommen, wurde nach Ermittlung der Kosten durch eine detaillierte Kalkulation unsererseits und in Absprache mit der Landeskonservatorin und dem Bauherrn aus Kostengründen folgender Kompromiss gefunden:
Im Eingangsbereich werden nur 2 Stoff-Felder mit Originalstoff an einer zurückgesetzten Stelle im Fahrstuhlbereich bespannt, so dass hier der Originalstoff dokumentiert ist. Die restlichen Felder des Eingangsbereiches werden mit gereinigten Stoffteilen der Treppenläufe versehen. Der erste Treppenlauf und das erste Wohnungspodest werden mit dem gereinigten und zusammengesetzten Originalstoff bespannt. Aus Kostengründen werden die restlichen Treppenläufe und Podeste nur gestrichen.



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Die zuvor gereinigten und aus vielen Einzelteilen absolut musterpassend zusammengenähten Stoffbahnen, die zahlreiche Kopf- und Senkrechtnähte aufweisen, wurden in mehreren Arbeitsgängen fadengerade und dem Alter des Stoffes in angemessener Weise straff ausgeheftet, umgebuckt und mit V2A-Klammern angetackert. Die Nagelung wurde mit den zuvor aufgearbeiteten originalen Eichenleisten abgedeckt. Diese wurden mit kopflosen Stiften genagelt. Mit dem Ergebnis der ausgeführten Arbeiten sind alle Beteiligten sehr zufrieden, da es den Charakter des Originalzustandes nahezu perfekt widerspiegelt.

Ausgeführte Restaurierungsarbeiten

Im Eingangsbereich wurde als erstes 300g/m² schwerer Baumwollmolton auf den zuvor bauseits befestigten und mit Bauschaum gegen Zugluft abgedichteten Spannleisten ausgeheftet und mit V2A-Klammern angetackert.

Der zuvor gereinigte und teilweise in Bahnen genähte Originalstoff wurde darauf ausgeheftet, umgebuckt und ebenfalls mit V2A-Klammern getackert. Die Nagelung wurde mit einer gewebten Borte abgeklebt.

Die Pilaster zwischen den Feldern wurden nicht, wie im Original, direkt aufgeklebt, sondern auf zuvor genau angepasste Pappstreifen geklebt, die mit Schnurstiften, verdeckt genagelt, befestigt wurden.

Auf dem Treppenlauf und dem Wohnungspodest wurde ebenfalls ein 300g/m² schwerer Baumwollmolton auf zuvor bauseits befestigte Sperrholzleisten ausgeheftet und getackert. Die Leisten wurden, entgegen unseren Empfehlungen, nicht putzbündig eingelassen, sondern mit Schlagdübeln auf dem ausgebesserten Putz im Mauerwerk befestigt. Dies hat sich beim Stoff spannen und Antackern als äußerst ungünstig erwiesen, da die Schlagdübel keinen ausreichenden Halt im Altbau-Mauerwerk aufweisen und die Leisten bei jedem Tackerschlag federn und somit den ausgebesserten Putz wieder lockern könnten. Des weiteren wurde anstatt der von uns geforderten Makulatur-Tapete eine flüssige Makulatur gestrichen.
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Download PDF aus RZ 10/2004